Dr. med. Kurt E. Müller (Sachbuchautor; wissenschaftliche Tätigkeitsbereiche: Umweltmedizin, Allergologie, Berufsdermatologie, Präventivmedizin), Kempten:

“MCS-Patienten ziehen sich zurück von der Gesellschaft. Deshalb fallen sie nicht auf.”

Umweltmediziner Dr. med. Kurt E. Müller.

Nachfolgend wird auf den Inhalt des medizinischen Fachbuches Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS) – Ein Krankheitsbild der chronischen Multisystemerkrankungen (CMI) von Prof. Wolfgang Huber, Dr. Hans-Ulrich Hill und Dr. Kurt E. Müller eingegangen. 

Definition und Einordnung von MCS

MCS wird als chronische Multisystemerkrankung beschrieben, die durch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber niedrigen Konzentrationen von Chemikalien wie Duftstoffen, Lösemitteln oder Abgasen gekennzeichnet ist. Diese Konzentrationen liegen unterhalb der Schwellenwerte, die bei gesunden Personen Reaktionen auslösen.
Es wird im Kontext eines Paradigmenwechsels in der Medizin gesehen: Während früher Infektionskrankheiten dominierten („Keimtheorie“), sind heute Multisystemerkrankungen durch „Zivilisationseinwirkungen“ (z.B. Chemikalienexposition, Stress, Ernährung) prävalent.

Symptome und Prävalenz

Typische Symptome umfassen Kopfschmerzen, Müdigkeit, Atemprobleme, Hautreizungen, Konzentrationsstörungen und Magen-Darm-Beschwerden. Das Buch zitiert Schätzungen, dass etwa 30% der Bevölkerung in westlichen Industrieländern an Allergien oder Überempfindlichkeiten leiden, wobei MCS als Teil dieses Spektrums gesehen wird.
Das Buch referenziert Studien, die eine MCS-Prävalenz von 25–60% in Kollektiven mit erhöhter Schadstoffexposition angeben, insbesondere bei Personen mit chronischen Begleiterkrankungen.

Ursachen und Mechanismen

Das Konzept des „Schadstoff-induzierten Toleranzverlusts“ (Toxicant-Induced Loss of Tolerance, TILT) wird hervorgehoben. TILT beschreibt, wie langfristige Chemikalienexposition in Kombination mit Faktoren wie Stress oder Bewegungsmangel zu chronischen Entzündungskrankheiten führt. MCS wird hier als Teil eines Spektrums gesehen, das auch Allergien, Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) oder Fibromyalgie umfasst.
Es gibt zwei Phasen des Krankheitsverlaufs nach Cullen (1987): Phase I (Sensibilisierung durch einmalige hohe oder langfristige niedrige Exposition) und Phase II (unspezifische Symptome durch niedrige Alltagsexpositionen. (Quelle: https://intersoz.org/multiple-chemikaliensensitivitaet-mcs-ein-krankheitsbild-der-chronischen-multisystem-erkrankungen/)
Die Pathogenese umfasst Störungen im neuro-endokrino-immunologischen System, unterstützt durch Studien, die komplexe Sensibilisierungsmechanismen nachweisen. (Quelle: https://intersoz.org/multiple-chemikaliensensitivitaet-mcs-ein-krankheitsbild-der-chronischen-multisystem-erkrankungen/)
Das Buch stellt klar, dass MCS toxikologische Ursachen hat, was durch Arbeiten wie die von Prof. Dr. Martin L. Pall (2009) gestützt wird, der MCS als toxikologisches Phänomen beschreibt. (Quelle: https://blog.purenature.de/neues-aus-medizin-und-wissenschaft/ein-meilenstein-in-der-historie-von-mcs-multiple-chemical-sensitivity/)

Umweltmedizinische und toxikologische Aspekte

Es wird auf die Belastung durch synthetische Chemikalien (z.B. Moschusverbindungen [→ in parfümierten Waschmitteln, Weichspülern, Reinigungsmitteln!), Phthalate, Formaldehyd) eingegangen, die in Gewässern, Organismen und menschlichem Gewebe nachweisbar sind.
Die Studie „Steinberg et al. (1999)“, die die Hepatotoxizität von polyzyklischen Moschusverbindungen wie AHTN untersuchte und deren Umweltbelastung thematisierte, unterstützt die Aussage, dass solche Stoffe Gewässer und Organismen schädigen.
Das Buch von Hill-Huber-Müller erläutert Langzeitwirkungen von Schadstoffen wie neurotoxische, hormonelle oder immunologische Effekte, z.B. die Anreicherung von chlorierten Dioxinen oder PCB im Fettgewebe. Auf genau diese Problematik hat übrigens bereits vor vielen Jahren Prof. Dr. med. Jan-Olaf Gebbers, damaliger Chefarzt der Pathologie des Kantonsspitals Luzern, hingewiesen.

Sozialpolitische Herausforderungen

Das Buch kritisiert die „pharmaindustriegesteuerte“ Gesundheitspolitik, die zum Glück von immer mehr Menschen durchschaut wird [→ vgl. auch staatlich verordnete Covid-Impfungen]. Es fordert eine qualifizierte umweltmedizinische Diagnostik und Therapie, die in die Leistungskataloge der Krankenkassen aufgenommen werden.
Hervorragend unterscheidet das Buch auch zwischen einer auf umweltmedizinischen (schulmedizinischen!) Erkenntnissen basierenden MCS und “MCS-Esoterik”; letztere wird z.T. durch “Selbsthilfegruppen” betrieben, deren Wirken echt Krankheitsbetroffenen mehr schadet als nützt.

Diagnostik und Therapie

MCS wird als Ausschlussdiagnose betrachtet, die eine interdisziplinäre Abklärung erfordert (z.B. Allergiediagnostik, Umweltanalytik).
Ein biologisches Effektmonitoring (z.B. Nachweis von Antikörpern, Zytokinen oder neurologischen Veränderungen) wird empfohlen, um Schadstoffwirkungen zu dokumentieren, da viele Schadstoffe (z.B. 50% der Pestizide) nicht analytisch nachweisbar sind.
Der wichtigste Therapieansatz ist der Expositionsstopp („avoidance“).

Die Stärken des Buches

– Umfassende Darstellung des Forschungsstands, inklusive internationaler Studien (z.B. USA, Japan).
– Betonung des TILT-Konzepts und der Zwei-Phasen-Theorie nach Cullen, die MCS klar von psychosomatischen Störungen abgrenzt.
– Fundierte Kritik am mangelnden umweltmedizinischen Wissen vieler Gesundheitsinstitutionen, dokumentiert durch konkrete Beispiele (z.B. Gutachterunwesen).
– Der Inhalt dieses medizinischen Standardwerks ist nützlich für Betroffene und deren Rechtsvertreter (Fachanwälte), um sich gegen Fehldiagnosen zu wehren. Ebenso ist der Inhalt für Fachleute geeignet, um MCS besser zu verstehen.
– Das Buch zeigt das Versagen der (bezahlten) Politik, Fehlentwicklungen der Wirtschaft, der Gesetzgebung (z.B. Anpassung von Grenzwerten nach den Wünschen der Industrie) und der Justiz (“Justiz als Pate”), auf. Sowie die Abwehrhaltung von Verursachern, der sie schützenden Gutachter, deren Aufgabe lautet: “Es kann nicht sein, was nicht sein darf.” Damit geht das Buch über das Thema Medizin hinaus und hinterfragt die Funktionsweise des heutigen Systems. “In dem Sinne ist es auch ein positiv-revolutionäres Buch” (Zitat Urs Beeler).
– Für Nichtmediziner kann der Text etwas schwer zugänglich sein, wie manche Rezensenten bemerken. Der Inhalt des Buches wird auf amazon.de mit einer Note von 4,9 (Maximalnote 5.0) bewertet (Stand 22.4.25). Der Verein MCS-Haus kann sich dieser Leser-Bewertung nur anschliessen.  

Fazit

Das Buch von Hill-Huber-Müller ist eine ausgezeichnete Ressource, um den Forschungsstand zu MCS nachzuvollziehen, insbesondere in Bezug auf toxikologische und umweltmedizinische Aspekte. Mit Laborparametern wie z.B. erhöhtem Interferon-Gamma (IFN-γ) werden weitere Beweise für die organische Grundlage geliefert.
Langzeitig einwirkende Chemikalien-Expositionen im Alltag fühen zu einem „Schadstoff-induzierten Toleranzverlust“ („Toxicant-Induced Loss of Tolerance“ = “Schadstoff-induzierter Toleranzverlust”), der zusammen mit weiteren krankmachenden Bedingungen wie falsche Ernährung, Stress und Bewegungsmangel zur Ausprägung chronischer Entzündungskrankheiten führt. Mit dem Schadstoff-induzierter Toleranzverlust-Konzept können u.a. verschiedene Formen von Allergien und Asthma, Migräne, Depressionen, Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS), Fibromyalgie, Golf-Kriegs-Syndrom und auch MCS erklärt werden.
Man kann zwischen den spezifischen Auslösungsmechanismen des Immunsystems bei den allergischen Erkrankungen und unspezifischen Sensibilisierungsmechanismen bei den chronischen Überempfindlichkeitskrankheiten vom Typ MCS oder CFS unterscheiden.

Zusammenfassung der Kernaussagen:

  1. MCS ist Teil eines breiteren Spektrums umweltbedingter Multisystemerkrankungen.

  2. Der medizinische Fokus hat sich von Infektionen hin zu chronischen Zivilisationsschäden verschoben.

  3. Das Schadstoff-induzierter Toleranzverlust-Konzept bietet eine plausible Erklärung für die Entstehung von MCS und verwandten Syndromen.

  4. Der Mechanismus unterscheidet sich von klassischen Allergien durch unspezifische systemische Überempfindlichkeit.

Allergie vs. MCS: Vergleichstabelle

Kriterium Allergie MCS
Evidenzbasierung Leitliniengestützt (DGAKI) Konsensus-basiert (ACMCS 2023)
Auslösemechanismus Spezifische IgE-vermittelte Immunreaktion (Typ-I-Allergie) Unspezifische systemische Überempfindlichkeit 
Reaktionszeit Sofort ⚡ (Minuten bis Stunden) Sofort oder auch verzögert ⏳ (Stunden bis Tage)
Nachweisbarkeit Hauttests, IgE-Blutwerte, Provokationstests positiv Diagnose durch Ausschlussverfahren; Entzündungswert Interferon-gamma (IFN-γ) und weitere Parameter 
Typische Auslöser Pollen, Tierhaare, Nahrungsmittel, Hausstaubmilben, Schimmelpilze Chemikalien (Duftstoffe, Lösungsmittel, Pestizide, Imprägnierungsmittel)
Symptome Hautausschlag, Asthma, Anaphylaxie Multisystemisch (Kopfschmerzen, Fatigue, kognitive Störungen, Atemnot, Schwitzen, Ekzeme usw.)
WHO-Klassifikation ICD-10: T78.1 (Allergische Reaktion) ICD-10: T78.4 (Sonstige Unverträglichkeit, chemische Sensitivität)
Pathophysiologie Histaminfreisetzung, Mastzellaktivierung Neurogene Entzündung, Schadstoff-induzierter Toleranzverlust
Behandlungsansätze Allergenvermeidung primär; Antihistaminika, Desensibilisierung als Symptombekämpfung Expositionssstopp als zentraler Faktor; Entgiftung z.B. mit Chlorella (klinische Studienlage begrenzt); umweltmedizinische Therapie mit Omega-3, B12 etc.
Provokationstest Reproduzierbare Reaktion (z.B. Hautquaddel) (Subjektiv) reproduzierbare Reaktion (z.B. Schwitzen, Juckreiz, Atemnot etc.)
Psychosomatische Komponente Keine (klare organische Ursache) Organische Ursache (von der IV jedoch manchmal als somatoforme Störung fehldiagnostiziert)
→ “Fehldiagnose-Risiko”

Quellen & Anmerkungen:

  1. Schadstoff-induzierter Toleranzverlust-Konzept: Claudia S. Miller (2001), “Toxicant-Induced Loss of Tolerance” in Environmental Health Perspectives.

  2. – Lacour et al. (2021): “MCS diagnostic criteria update”
    – Steinemann (2019): “Global fragrance sensitivity data”

  3. WHO-Klassifikation: ICD-10-GM 2023 (T78.4 für MCS).

  4. Diagnostik: Unterschiede laut Deutscher Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI).

Buch-Empfehlung:

Dieses Buch von Dr. Hans-Ulrich Hill (Autor), Prof. Wolfgang Huber (Autor) und Dr. Kurt E. Müller (Autor) fasst den medizinischen Wissensstand betreffend MCS in deutscher Sprache zusammen (mit über 50 Seiten Quellenangaben). Es widerlegt systematisch psychosomatische Fehlinterpretationen und stellt die umweltmedizinische Evidenzlage umfassend dar.
Rezension von Carina Anderson:
Ein hervorragendes Fachbuch zum komplexen Thema MCS
“Für jeden, der von dieser Art Erkrankung betroffen ist, ist dieses Buch eine ‘informative Offenbarung’ – denn es erspart einem viele Stunden der Recherche (die ich vor der Lektüre des Buches schon über Jahre hinweg investieren musste) – weil das meiste, das es zu dem Thema zu wissen gibt, in übersichtlicher, gut verständlich formulierter (!) Form aufbereitet wurde.
Ich bin den Autoren mehr als dankbar für die Mühe, Zeit und die Leidenschaft, die sie in die Erforschung dieses Fachgebietes investiert haben und nach wie vor investieren.
Als Betroffene ist dieses Wissen für mich von unschätzbarem Wert.”
 
Rezension von Urs Beeler:
Ein medizinisches Standardwerk über MCS in deutscher Sprache
“Das Buch ‘Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS)’ ist absolut hervorragend! Und zwar in jeder Hinsicht: Inhalt, Aufbau, Stil. Es beinhaltet alles, was ein Betroffener oder eine Betroffene über die Krankheit wissen muss.
Wenn einer sich als Christ bezeichnen will, sollte er die Bibel (AT und NT) gelesen und verstanden haben. Wenn einer sich mit dem Thema Wirtschaft, Kritik an der Gesellschaft etc. beschäftigen will, sollte er das Kapital I von Karl Marx gelesen haben. Und wenn einer an einer hochgradigen MCS leidet, sollte er das Buch ‘Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS)’ gelesen haben, weil es ehrlich, präzise und verständlich formuliert im Grunde alle Fragen und Antworten enthält, die sich in Zusammenhang mit dieser Erkrankung stellen.
Kurz: Ein medizinisches Standardwerk betr. MCS in deutsche Sprache und eine Pflichtlektüre für Betroffene, Ärzte und Fachanwälte, die MCS-Patienten in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren vertreten.
Den Autoren Dr. Hans-Ulrich Hill, Prof. Wolfgang Huber und Dr. Kurt E. Müller kann für ihre wertvolle, aufwendige und sorgfältige Arbeit nicht genug gedankt werden.

PS: Das fundierte Wissen dieses Buches zeigte mir nebenbei auch eindrücklich die umweltmedizinischen Wissensdefizite (‘wenig oder gar keine Ahnung’) der meisten Allgemeinmediziner, Dermatologen, Psychologen, Psychiater, Richter des Verwaltungsgerichts des Kt. Schwyz etc. auf.”

Bewertungstabelle (Skala 1-10)

Kriterium Bewertung (1–10) Kommentar
Wissenschaftliche Fundierung 9.5 Exzellente Quellenangaben (Studien, TILT-Konzept, Cullen-Phasen) und klare Abgrenzung zu psychosomatischen Fehldiagnosen.
Praxisrelevanz 9.0 Direkter Nutzen für Betroffene, Ärzte und Juristen durch evidenzbasierte Diagnose- und Therapieansätze.
Struktur & Übersicht 8.0 Klare Gliederung (Definition, Symptome, Ursachen etc.), aber teils lange Textblöcke. Tabellen (z.B. Allergie vs. MCS) sind hervorragend.
Transparenz 10.0 Umfangreiche Quellenverweise (ICD-10, Studien, AutorInnen) und kritische Einordnung von Industrie- und Politikversagen.
Zielgruppenfokus 9.5 Optimal für MCS-Betroffene und Fachleute. Leichte Verständnishürden für Laien werden im Text benannt.
Innovation/Kritik 9.0 Scharfe Analyse systemischer Defizite („pharmaindustriegesteuerte Politik“, Gutachterproblematik).
Leserfreundlichkeit 7.5 Fachsprachliche Passagen erfordern medizinisches Grundwissen. Rezensionen lockern auf.
Empfehlungsstärke 10.0 Klare Buch-Empfehlung mit Begründung (4,9/5.0 auf Amazon, Nutzerstimmen).
Gesamtnote 9.0 Herausragend – Wissenschaftlich top, gesellschaftlich relevant, minimal optimierbar in Didaktik.

Stärken des Beitrags

  1. Evidenzbasiert: Verknüpfung von toxikologischen, immunologischen und umweltmedizinischen Fakten.

  2. Kritische Haltung: Entlarvt systemische Probleme (Industrie, Politik, Fehldiagnosen).

  3. Praktischer Nutzen: Konkrete Diagnose- und Therapieansätze („Expositionsstopp“ als Kern).

 
6 - 0

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