Zitat von Dipl.-Phys. OO, Deutschland (historisches Mail vom Donnerstag, 7. Mai 2020 um 09:44:56)
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Inhalt
Zusammenfassung der Kritik am MCS-Wohnprojekt Zürich-Leimbach
Die Stellungnahme von Urs Beeler, datiert auf den 6. Juni 2016, 6.6.16 Stellungnahme von Urs Beeler zum Schlussbericht des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern betr. des MCS-Wohnprojekts Zürich-Leimbach, PDF 6,0 MB. analysiert und kritisiert den Schlussbericht des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern zum MCS-Wohnprojekt in Zürich-Leimbach. Das Projekt, das als „gesündestes Haus der Schweiz“ beworben wurde, sollte Menschen mit Multipler Chemikaliensensitivität (MCS) eine schadstofffreie Wohnumgebung bieten. Die Kritik legt jedoch dar, dass das Projekt sowohl konzeptionell als auch praktisch an den Bedürfnissen hochgradig MCS-Betroffener vorbeigeht und zahlreiche Mängel aufweist.
Hintergrund und Ziel des Projekts
Das MCS-Wohnprojekt in Zürich-Leimbach, realisiert von der Baugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS, ist ein Mehrfamilienhaus, das speziell für Menschen mit MCS gebaut wurde. MCS ist eine Erkrankung, bei der Betroffene empfindlich auf chemische Stoffe reagieren, was oft z.B. zu typischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, starkes Schwitzen, Juckreiz oder Erschöpfung führt. In der Schweiz wird die Zahl der MCS-Betroffenen auf etwa 5’000 geschätzt, was Beeler als übertrieben ansieht und auf etwa 80 hochgradig Betroffene bei einer Prävalenz von 1:100’000 korrigiert. Das Projekt, finanziert mit über 6 Millionen CHF (unterstützt durch die Stadt Zürich und andere Förderinstrumente), wurde vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) evaluiert, um Erkenntnisse für zukünftige MCS-gerechte Bauten zu gewinnen. Der Bericht der Universität Bern untersuchte die Lebensqualität der Bewohner, die Materialverträglichkeit und die sozialen Auswirkungen.
Hauptkritikpunkte am Projekt und Bericht
1. Fehlende Eignung für hochgradig MCS-Betroffene: Der Bericht zeigt, dass nur wenige hochgradig MCS-Betroffene im Haus leben, stattdessen zog eine Klientel mit anderen Sensibilitäten ein. Beeler kritisiert, dass das Haus für die Zielgruppe ungeeignet ist, da es nicht ausreichend schadstofffrei ist. Ein Bewohner bemängelt: „Das Haus hat an sich den einzigen, aber alles entscheidenden Fehler, dass es nicht verträglich ist.“ Probleme wie Elektrosmog und ungeeignete Materialien verschärfen die Situation. Viele Betroffene zogen wieder aus, da ihre Erwartungen an eine gesundheitliche Verbesserung nicht erfüllt wurden.

2. Konzeptionelle Mängel: Beeler kritisiert das Kollektivkonzept eines Mehrfamilienhauses für MCS-Betroffene. Hochgradig Betroffene, die oft isoliert leben und Ruhe benötigen, leiden unter der Nähe zu anderen Bewohnern, Lärm und Immissionen. Er schlägt stattdessen ein Individualkonzept mit separaten Kleinwohnobjekten vor, die besser auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Das Mehrfamilienhaus mit zentralem Eingang und Gemeinschaftsräumen sowie Lift wird als konfliktanfällig und unpraktisch beschrieben.
3. Materialwahl und Bauprozess: Obwohl die Materialwahl partizipativ erfolgte, indem MCS-Betroffene Materialproben testeten, gab es gravierende Fehler. Beeler kritisiert den Einsatz von Mineralwolle und anderen potenziell schädlichen Materialien sowie die unzureichende Auslüftungsphase nach dem Bau. Der Bericht empfiehlt eine sechsmonatige Auslüftungszeit, was Beeler unterstützt, aber als finanziell schwer umsetzbar sieht.

4. Ignoranz gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen: Der Bericht wird dafür kritisiert, dass er MCS unnötig kompliziert darstellt und naturwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert. Beeler betont, dass MCS seit 1994 von der WHO als organische Erkrankung (ICD-10 T78.4) anerkannt und gut erforscht ist, entgegen der Behauptung von MCS-Aktivisten wie Christian Schifferle, der von „Nicht-Anerkennung“ spricht. Experten wie Dr. Tino Merz oder Dr. Peter Binz, die bereits zu der Zeit umfassende Erfahrung mit MCS-Patienten hatten, wurden nicht einbezogen. Stattdessen greift der Bericht auf esoterische Ansätze (z.B. Rosenquarz-Rituale) und psychologische Erklärungsmodelle zurück, die Beeler als unpassend und abwegig bezeichnet.
5. Soziale und psychologische Perspektive: Der Bericht fokussiert sich stark auf sozial-psychologische Aspekte, wie die Lebenszufriedenheit der Bewohner, die jedoch niedrig ist. Beeler kritisiert, dass diese Perspektive die allergologische und chemische Dimension von MCS vernachlässigt. Er sieht keinen Sinn darin, MCS-Betroffene in ein Mehrfamilienhaus zu „zwingen“, wenn sie oft Einzelgänger sind und individuelle Lösungen benötigen. Die Studie schlägt vor, die „Spiritualität“ als Dimension einzubeziehen, was Beeler als Flucht vor der Realität und Kapitulation vor den Verursachern (z.B. Chemieindustrie) ansieht.
6. Finanzierung und Kosten: Das Projekt kostete 6,16 Millionen CHF, finanziert durch die Stadt Zürich, Wohnbauförderung und Spenden. Beeler hebt hervor, dass der Kanton Schwyz im Gegensatz dazu keinerlei Unterstützung für MCS-Projekte leistet. Er argumentiert, dass ein Individualkonzept mit Kleinwohnobjekten (ca. 400.000 CHF pro Einheit) nicht teurer wäre als das Mehrfamilienhaus und besser auf die Bedürfnisse abgestimmt wäre.
Vorschlag eines alternativen Konzepts
Beeler kontrastiert das Kollektivkonzept der Genossenschaft mit dem Individualkonzept des Vereins MCS-Haus. Kleinwohnobjekte mit separaten Eingängen, natürlichen Materialien (z.B. Poroton-Steine statt Dämmungen mit Mineralwolle), immissionsfreien Heizsystemen und guter Schallisolierung würden die Lebensqualität hochgradig MCS-Betroffener entscheidend verbessern. Er betont die Notwendigkeit, auf Esoterik zu verzichten und stattdessen auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrung zu setzen. Materialien sollten konsequent schadstofffrei sein, und hochfrequenter Elektrosmog müsste gezielt minimiert werden.
Fazit
Das MCS-Wohnprojekt Zürich-Leimbach wird als konzeptioneller Flop bewertet, der die Bedürfnisse hochgradig MCS-Betroffener nicht erfüllt. Beeler kritisiert die mangelnde Verträglichkeit des Hauses, das ungeeignete Kollektivkonzept, die z.T. fehlerhafte Materialwahl und die Ignoranz des Berichts gegenüber naturwissenschaftlichen Fakten. Er plädiert für ein Umdenken hin zu individuellen Wohnlösungen, die echte Symptomfreiheit ermöglichen, und für eine kritische Auseinandersetzung mit den Verursachern chemischer Belastungen (z.B. Wasch- und Putzmittelhersteller, Produzenten von Mineralwolle usw.). Die Studie der Universität Bern wird als unzureichend und realitätsfern beschrieben, da sie die eigentlichen Probleme verschleiert und keine praktikablen Lösungen für MCS-Betroffene bietet.
Warum ist das MCS-Wohnprojekt Zürich-Leimbach falsch konzipiert? (Teil 1)
Warum ist das MCS-Wohnprojekt Zürich-Leimbach falsch konzipiert? (Teil 2)